Das sicherste Gefängnis der Welt
Die Handlung
Am Abend des 17. April 1899 sitzen Professor van Dusen und Mr. Thomas Ransome, Lokalpolitiker und Direktor des Chisholm-Gefängnisses in New York, nebst seiner Frau Vivian bei Chirico in der 5th Avenue bei einem Dinner. Bei dieser Gelegenheit gibt van Dusen mal wieder sein Credo zum Besten: „… daß einem wahrhaft intelligenten Menschen nichts, wohlgemerkt nichts, unmöglich ist.“
Diese Feststellung bringt Mr. und Mrs. Ransome dazu, den Professor zu fragen, ob es ihm gelingen könnte, etwas wegzudenken, was bereits da sei, z.B. eine Gefängnismauer. Professor van Dusen bejaht diese Frage. Lachend behauptet daraufhin Mr. Ransome, daß van Dusen aber nicht aus seinem Gefängnis entkommen könne, denn es handele sich dabei um das sicherste Gefängnis der Welt. Trotzdem könne er entkommen, meint van Dusen.
Dies führt zu der berühmten Wette, die Professor van Dusen eine Kiste Champagner, Thomas Ransome schlaflose Nächte und allen anderen viel Gesprächsstoff einbringen sollte. Diese Wette besagt, daß Professor van Dusen nur Kraft seines Verstandes in genau einer Woche wieder hier bei Chirico eintreffen würde, obwohl man ihn im Chisholm-Gefängnis unter erschwerten Bedingungen – Todeszelle und Einzelhaft – inhaftieren würde.
Um dem Professor keine Gelegenheit für irgendwelche Vorbereitungen zu geben, wird er direkt vom Tisch weg von Mr. Ransome verhaftet. Im Büro des Gefängnisdirektors eingetroffen ist, bittet van Dusen nur um zwei Gefälligkeiten:
- sich noch einmal die Schuhe putzen zu dürfen,
- und um 25 Dollar, in zwei 10 Dollar- und einem 5 Dollarschein.
Kurz darauf wird er dem Wärter O'Brian übergeben, der ihn durchsucht und dann in sein neues Domizil, Zelle 13, die Todeszelle, bringt; bewaffnet nur mit seiner Kleidung, frisch geputzten schwarzen Schuhen, drei Geldscheinen und seinem Verstand.
Überrascht stellt van Dusen dabei fest, daß er seine Zelle mit Ratten teilen muß (bei denen es sich um Wander- oder Wasserratten (rattus norvegicus) handelt, wie er später feststellt). Alleingelassen, beginnt der Professor sofort seine Zelle zu examinieren. Wände – aus Beton, Tür – aus Stahl, Bett – Stahlrahmen, Fenster – vergittert, Zelle – im Hochparterre. Außerdem entdeckt er an der Außenwand eine Bogenlampe, deren Stromkabel unterhalb seines Fensters verläuft.
Am nächsten Morgen untersucht van Dusen die Herkunft der Ratten und entdeckt dabei ein altes Abwasserrohr in der Wand.
Kurz darauf bekommt er sein Essen. Während er ißt unterhält er sich mit seinem Wärter O'Brian. Wichtig sind ihm dabei Informationen über Umbauten in den letzten Jahren (elektrisches Licht, Wasser und eine neue Außenwand). Außerdem bringt er in Erfahrung, daß hinter der Wand mit dem Rohr ein Baseballplatz und der Fluß liegen. Zudem schafft er es, dem Wärter zu überreden, ihm eine Schale Wasser dazulassen.
Nur viermal am Tag erhält der Professor so Besuch in seiner Zelle, was van Dusen viel Zeit zum Nachdenken und Aktivwerden läßt. Am Abend des zweiten Tages meldet dann O'Brian die erste Aktion des Professors: es wurde etwas unter seinem Fenster gefunden – ein Kassiber. In ein Stück Stoff war eine 5 Dollarnote eingewickelt. Auf dem Stoffetzen stand: „nehe ilfthcinh ciedrew traese idfu a“. Bei der sofortigen Durchsuchung der Zelle findet man heraus, daß vom Hemd des Professors ein Streifen abgerissen wurde. Wo aber die Tinte herkam, mit der die Botschaft geschrieben wurde, bleibt ein Rätsel. Deshalb muß van Dusen seine Kleidung gegen die gestreifte Anstaltskleidung austauschen.
Dem Direktor kann dann kurz darauf der nächste Versuch gemeldet werden. Der Professor versuchte O'Brian zu bestechen, ihn bei der Flucht zu helfen. Dieser lehnte jedes Angebot entrüstet ab und verläßt die Zelle mit stolzgeschwellter Brust ob seiner Unbestechlichkeit.
Wenige Stunden danach dringen aus van Dusens Zelle ungewöhnliche Geräusche. Direktor Ransome und O'Brian dringen in die Zelle ein und konfrontierten van Dusen damit, daß er versucht habe, die Gitterstäbe durchzufeilen; jedoch mit einem Resultat gleich null. In seiner Tasche finden sie zwei Metallbeschläge, die von seinen Schuhen stammten. Überlegen bot Direktor Ransome dann van Dusen an, doch zuzugeben daß er verloren hat. Dieser antwortete jedoch ganz ruhig: „Ich denke nicht daran. Ich bin noch lange nicht am Ende.“
Was Ransome und O'Brian jedoch mitbekamen, war nur die Oberfläche von van Dusens Aktivitäten. So erhält z.B. am Nachmittag des dritten Tages von van Dusens Haft, Hutchinson Hatch eine Nachricht von van Dusen…
Am vierten Tage seiner Haft fragt der Professor O'Brian über die elektrischen Lampen aus. Vor allen will er wissen, wer im Falle eines Ausfalls für die Reparatur zuständig ist; die Elektrizitätswerke, erfährt er.
Kurz darauf stürzt ein aufgeregter Ransome mit O'Brian in die Zelle. Er will wissen, wie der Professor es fertiggebracht hat, erneuten einen 5 Dollarschein in den Hof zu werfen, obwohl der Professor keinen mehr hätte haben dürfen. „Durchsuchen, O'Brian, und zwar gründlich! Den Mann, die Zelle, alles“, war deshalb seine Anweisung. Dieser wird auch sofort fündig: fünf 1 Dollarscheine und eine tote Ratte im Abflußrohr ist alles was er findet. Wütend und verunsichert verläßt Ransome mit O'Brian den Professor.
In der Nacht vom vierten zum fünften Tag wird der Schlaf des Direktors von einem langanhaltenden Schrei unterbrochen. Der Schrei kommt vom Untersuchungshäftling Ballard, der über van Dusens Zelle einsitzt. Ballard gesteht, völlig mit den Nerven am Boden, seine Frau umgebracht zu haben und ihr Säure ins Gesicht geschüttet zu haben. Er fleht darum in eine neue Zelle verlegt zu werden, weil er glaubt, die Stimme seiner Frau gehört zu haben: „Dumpf, wie aus dem Grab.“ Das Wort „Säure“ hätte er deutlich vernommen und viele andere Wörter, die er nicht verstand. Und „Kopfgröße 60“! Ransome und O'Brian sind ratlos.
Ansonsten verlaufen der fünfte und sechste Tag ohne besondere Zwischenfälle. O'Brian meint, daß der Ehrengast die Vergeblichkeit eines Ausbruchs wohl eingesehen hätte, aber Ransome war da noch nicht so sicher.
Als auch am siebten und letzten Tag nichts geschieht, kommt Direktor Ransome langsam zur Ruhe. Zur Ruhe vor dem Sturm, denn nach Sonnenuntergang überschlagen sich die Ereignisse. Zuerst fällt die Bogenlampe neben Zelle 13 aus. Ransome telefonierte sofort mit der Elektrizitätsgesellschaft, um eine Reparatur zu veranlassen. Dann platzt seine Frau mit einem Expressbrief ins Büro: „Liebe Ransomes, nicht vergessen: heute Abend 9 Uhr bei Chirico. Bis dann, ihr van Dusen“. Aufgeregt schickt Ransome den Wärter zur Zelle 13. Der kommt zurück mit der Nachricht, daß alles in Ordnung sei. Der Professor läge auf seiner Liege und mache wohl ein Nickerchen. Kurz darauf kommt O'Brian wieder zurück mit der Nachricht, daß der Reparaturtrupp jetzt am Haupttor sei. Der Direktor verlangt höchste Wachsamkeit. Nicht lange danach meldet O'Brian den Besuch zweier Herren von der Presse: ein Mr. Hutchinson Hatch vom Daily New Yorker und ein Kollege. Da bald wieder Wahlen anstehen, läßt der Direktor bitten.
Kaum betritt Hatch mit Kollege das Büro, stellt sich der Kollege als Professor van Dusen vor. Wie von Taranteln gestochen schießen Ransome, O'Brian und Vivian Ransome zur Zelle 13. Hatch und van Dusen lassen sich mehr Zeit und kommen gemütlich hinterhergetrottet. Im Bett findet sich eine Attrappe mit Perücke. Desweiteren stellt sich heraus, daß das Fenstergitter lose ist.
Nachdem die Beteiligten ein vorzügliches Essen bei Chirico genossen haben, beginnt der Professor mit seinem Bericht. Er berichtet von den Ergebnissen seiner Untersuchung in der Zelle und wie er seine Flucht begann. Zuerst brauchte er einen Helfer. So fing er an, aus seinen Socken einen Faden zu gewinnen. Dann schrieb er einen Brief auf ein Stück Leinen. Als Tinte verwendete er die frische Schuhwichse, die er mit Wasser in Tinte verwandelte. Die Metallspitze seiner Schnürsenkel diente als Feder. Danach fing er eine Ratte, an deren linkes Hinterbein er den Brief zusammen mit einer 10 Dollarnote band. Ans rechte Bein band er einen langen Faden und dann jagte er die Ratte durchs Rohr. Allwissend wie der Professor nun mal ist, wußte er, daß sich die Ratte im Freien durch nagen vom Brief und dem Band befreien würde. Den Brief fand, wie geplant, ein Baseball spielender Junge. Und da ihm im Brief nochmals 10 Dollar versprochen wurden, wenn er dem Brief Hatch überbringen würde, tat er es. Hatch eilte sofort zum Gefängnis, fand den Faden im Rohr und mit einer stärkeren Schnur und einen Draht bauten sich van Dusen und Hatch durch das Rohr eine Seilbahn.
Die anderen Aktivitäten, so der Professor, waren nur Ablenkungsmanöver. Der Bestechungsversuch, das Sägen am Gitter und der Kassiber. Vivian Ransome versuchte daraufhin die Nachricht des ersten Kassibers zu entziffern, schafft es aber nicht. Professor van Dusen empfiehlt ihr daraufhin, die Nachricht doch anders herum zu lesen: „Auf diese Art werde ich nicht fliehen.“
Dann berichtet der Professor, daß er von Hatch einige Dinge besorgen ließ. Dies machte er, indem er durch das Rohr rief. Dazu gehörten Tinte und Papier, Salpetersäure und eine Perücke mit Kopfgröße 60. Die Seilbahn wurde nach Gebrauch tief im Rohr versteckt und zusätzlich durch eine tote Ratte getarnt. Nachts ätzte der Professor dann die Halterung der Gitter am Fenster durch. In der Fluchtnacht ätzte er dann noch das Stromkabel mit Säure durch, kletterte aus dem Fenster, setzte das Gitter wieder ein und versteckte sich im Dunkeln auf dem Gefängnishof.
Dann kam Hatch, zusammen mit den Elektrikern. Das war für Hatch kein Problem, denn Hatchs Vater ist ein wichtiger Aktionär der Elektrizitätsgesellschaft. Hatch traf den Professor im Dunkeln auf dem Hof. Dieser zog die mitgebrachte Arbeitskleidung an und zusammen gingen die beiden durch das Haupttor; Werkzeug holen, wie sie den Wächtern sagten. In der bereitstehenden Droschke zogen sich der Professor und Hatch um, und beide kamen dann als Reporter zurück. Voilà!
Auf die Frage hin, was er gemacht hätte, wenn z.B. kein Abflußrohr in der Wand gewesen wäre oder seine Nachricht Hatch nicht erreicht hätte, erwidert der Professor: „Ich hätte noch zwei weitere bombensichere Ausbruchsmethoden in petto gehabt.“
Und dann erklärt er noch einmal feierlich, daß „einem wahrhaft
intelligenten Menschen nichts, wohlgemerkt nichts, unmöglich ist!“
[UB]