van dusen in der faz
Gehrmann
gehrmann at fhi-berlin.mpg.de
Die Mai 11 22:16:29 CEST 1999
Hallo Liste,
hier ein Artikel aus der F.A.Z. vom 07.05.99. Viel Spaß beim Lesen.
Grüße
Stephan
Im Pulverfaß
Verbleib ungeklärt: "Van Dusens größter Fall" (DLRB) von Klaus Ungerer
Der Schock kam in der Abendstunde. Man hat es sich gemütlich gemacht,
einen guten alten Bekannten bei einem seiner Abenteuer begleitet, mit
Wohlgefallen der Auflösung entgegengelauscht - als sich ein Abgrund
auftat. Die Betroffenen wissen heute noch minuziös davon zu berichten.
"Ich kann mich noch gut erinnern", gab einer zu Mikrofon, "auch an die
Gefühle, als ich in die Wohnstube ging. Meine Mutter schaute Fernsehen,
und ich sagte zu ihr: Mutti, Professor van Dusen ist tot. Für mich war
das unfaßbar."
An diesem Januarabend des Jahres 1982 hatte der hyperintelligente
Detektiv, so schien es, die Hörspielbühne für immer verlassen, mit viel
Getöse wurde er beim großen Erdbeben von San Francisco von der Erde
verschluckt. Doch sollte dieser Abgang wirklich unwiederuflich sein? Van
Dusen hatte schon die gefährlichsten Situationen unbeschadet
überstanden, selbst den Untergang der "Titanic". Zwar versank sein
Erfinder, der Schriftsteller Jacques Futrelle, am 15.April 1912 in den
Fluten des Atlantiks, doch wurde sein Detektiv 1977 wieder gehoben.
Maßgeblich daran beteiligt war ein ausgewiesener Experte für
Aufwärtsbewegungen: Hans "Dalli" Rosenthal, hüpfender Unterhaltungschef
vom Rias Berlin, der Autor Michael Koser und Regisseur Rainer Clute den
Auftrag zur van-Dusen-Serie gab. Koser stellte dem Professor den
Journalisten Hutchinson Hatch zur Seite, dessen offenherzige
Begriffsstutzigkeit es den Zuhörern ermöglicht, in van Dusens
Geistesblitzgewitter die Übersicht zu behalten. Keine noch so finstere
Ränke konnte ihm, den Träger von fünfzehn bis zwanzig Doktortiteln,
etwas anhaben - bis rohe Naturgewalten in Folge 24 ihren Triumph über
"die Denkmaschine". Mit dem seelischen Nachbeben, das van Dusens
Verschwinden auslöste, hatte niemand gerechnet. Beim Rias trafen die
Beschwerden gleich zu Hunderten ein. Da erst wurde den Machern klar, daß
sie einen Star geschaffen hatten. Was folge, waren ein öffentliches
Wiederaufleben der Serie, die Gründung eines Fanclubs und über fünfzig
weitere Folgen. Van Dusen wurde zu einem Dauerbrenner von Derrickschem
Format, angereichert mit einer Menge Esprit und ironischer
Jahrhundertwende-Nostalgie. Als der Rias-Nachfolgesender
Deutschlandradio beschloß, die Serie nach zwanzig Jahren Laufzeit
auslaufen zu lassen, war Koser "nicht furchtbar böse". Heute abend nun
wird van Dusen in einer ihm gewidmeten "langen Nacht" endgültig in
Wohlgefallen aufgelöst.
Die unwiederruflich letzte Folge heißt "Van Dusens größter Fall".
Michael Koser hat sich das Vergnügen gegönnt , ausgiebig auf älter
Episoden rückzuweisen, und obendrein macht er seinen Wohnort zum
Schauplatz des endgültigen Abschieds. Wie aber kann ein veritables
Abenteuer in Wilhelmshaven spielen? Der Umweg führt über Berlin. Hier
hält Hutchinson Hatch (Klaus Herm) sich 1912 auf, um Stoff für seine
Reportage „Pulverfaß Europa" zu sammeln. Nebenher gibt er sich
wehmütigen Erinnerungen an die gemeinsame Zeit mit Prof. van Dusen
(Friedrich W. Bauschulte) hin - bis der vermeintliche Tote auf einmal in
der Tür steht. Bald stecken die beiden mitten im nächsten Fall und in
Gefangenschaft. Van Dusens teuflischer Bruder Caligula plant das
letztgültige Verbrechen: Er will einen Weltkrieg entfesseln, indem er
die gespannte Stimmung zwischen England und Deutschland zur Explosion
bringt. Eine Schlüsselrolle spielen in seinem Plan das erste Geschwader
der deutschen Hochseeflotte, stationiert in Wilhelmshaven, sowie van
Dusen und Hatch. Genauer gesagt, ihre Leichen.
Dem plattdeutschen Ambiente entsprechend zieht auch die Spannung sich
ein wenig in die Breite, und nicht ganz zu Unrecht beschwert sich van
Dusen abschließend, die Geschichte enthalte „wenig mehr als Aktion und
Abenteuer, Kalauer und Klamauk, billige Sensationen von der
Hintertreppe, mit einem Wort: Kolportage". Doch soll zu diesem Anlaß
nicht gar zu sehr gemäkelt werden. Es gibt ein Wiederhören mit alten
Bekannten, Hatches einfaches Gemüt sorgt wie gehabt für Komik, die
Helden dürfen sich als tollkühne Detektive in eine fliegenden Kiste
erproben, van Dusens endgültiger Verbleib bleibt angenehmerweise offen.
Um van Dusen braucht uns also nicht bange zu sein. Wenn man dem Munkel
glauben darf, wird seine flüchtige Existenz im Äther bald gar auf solide
Silberlinge gebannt. Darauf gewartet haben seine Anhänger lange genug