Akustische Medientage

S. Weiler st at bts-weiler.de
Mon Aug 19 18:10:10 CEST 2002


Hallo,

Ich möchte hier einmal auf jene Tage aufmerksam machen.  Auch wenn der Sponsor ein Blindenverein ist, das Programm ist hoch interessant und Jeder ist sehr willkommen.

Näheres kann man finden unter
www.klangkontext.de/boltenhagen
dort den link Akustische Medientage wählen.

Ich habe die HTMLSeite zu "nur Text" importiert, daher das etwas seltsame Erscheinungsbild.
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Zum Ablauf!Zur Online-Anmeldung"
Thema:Zwischen Ideal und Kompromiss - der gute Ton und seine 
            Verbreitung via Rundfunk und Tonträger. Mehr!
            Termin:Vom 3. Oktober 2002 18:00 Uhr
            bis 6. Oktober 2002 um 12:00 Uhr
            Veranstalter:Ostseeperlen Boltenhagen.
            Erholungs- und Kommunikationszentrum des
            Blinden- und Sehbehinderten-Vereins Mecklenburg-Vorpommern e.V.
            Veranstaltungsort:Haus Seeschlößchen
            Strandpromenade 53, 23946 Boltenhagen,
            Telefon: 038825/3700; fax: 038825/37043
            Ihre Mail an: ostseeperlen at t-online.de!
            Programmregie:Dr. Jürgen Trinkus
            Ihre Mail an Jürgen Trinkus: webmaster at klangkontext.de!
    
Geplanter Ablauf
DatumBeginnThematik
            3. 10. 200219:30Wer ist gekommen? - die Vorstellungsrunde
            20:00Neues aus H2 in der Nalepastraße: Angelika Perl und Peter Kainz 
            - das Update 2002.
            22:00"Meine wunderbare Schattenwelt" - die Ultimative 
            Analogproduktion von Peter Kainz aus dem Jahre 1995.
            4. 10. 200209:30Reinhard Walter: Die Tonmeisterperspektive - Mehr!
            14:00Hörstunde für Nimmersatte:
            "Hiev op! Akustisches Logbuch einer Fischfangreise nach Ostgrönland. 
            Eine stereophone Dokumentation von Ekkehard Saß"
            16:00Was wir wollen und was wir kriegen - Gedankenaustausch über den 
            Klang - Mehr dazu!
            19:30Ekkehard Saß - eine Bilanz seiner Radiojahre
            22:30Zugabe für Nimmersatte: ein Stück aus 1001 Nacht, Ton: Peter 
            Kainz
            5. 10. 200210:00"Zum Beispiel Klütz - Landwirtschaft in 
            Ostdeutschland" - Tanja Busse und ihr Feature aus Boltenhagens 
            Hinterland
            14:00Hörstunde für Nimmersatte:
            "Wie eine Staubwolke von Noten: Portrait eines Orchesters" von 
            Ekkehard Saß. 
            16:00Die Händlerperspektive:
            Zwischen Tonträgerindustrie und -markt - Mehr dazu!
            20:00"Unsere Klangwelt ist keine Scheibe!" - 
            das Klangkonzept von MDG.
            6. 10. 200210:002 + 2 +2 = das ultimative Konzert: 6 Kanäle schaffen 
            den Raum
 Der gute Ton
            Der Ton macht bekanntlich die Musik und das ist eine längst ergraute 
            Weisheit. Aber mit ihrer Bedeutungsunschärfe und Deutungsfähigkeit 
            wollen wir während der IV. Boltenhagener Tage für akustische Medien 
            schon ein wenig spielen.
            Der Ton, der aus unseren Lautsprechern tönt all überall, konnte noch 
            nie besser sein als in dieser unserer Zeit: kein unerwünschtes 
            Rauschen; größtmögliches Frequenzspektrum; überwältigende 
            Transparenz und Räumlichkeit - die schöne neue Welt der digitalen 
            Klangerzeugung öffnet sich als Reich der unbegrenzten Möglichkeiten.
            Aber stellt sich die Faszination noch her, die uns aus unserem 
            ersten Stereoradio entgegenrauschte? Meine ersten Pop-Freuden holte 
            ich in den 60er Jahren aus einem Rückkopplungsempfänger Baujahr 36 
            oder unterlegt mit einem 5-kHz-Pfeifton und scheppernd aus dem 
            Kofferradio der Clique: Frank Elsner präsentiert "Die großen Acht" 
            auf Radio Luxemburg. Der Sound entsprach scheinbar genau unserem 
            Lebensgefühl.
            Guter Ton ist also keine absolute Größe, sondern eine historische, 
            relative und subjektive.
            High Fidelity aber war eine große Versprechung: Der Ton sollte vom 
            Mikrofon bis in die Lautsprecher wandern ohne hörbare Verluste und 
            sollte sich dort wieder so ausbreiten als wäre er eben den 
            Schallquellen entstiegen. So sehr sich das technisch Mögliche diesem 
            Idealzustand auch annähern mochte, seine Erreichung muss Illusion 
            bleiben. Die akustische Projezierung eines berühmten Konzertsaals 
            hinein in unser Wohnzimmer bleibt eine Projektion. Unsere restlichen 
            Sinne sagen uns, dass wir eben nicht in diesem Saal zwischen all den 
            KOnzertbesuchern sitzen. Und noch ist mir kein Wiedergabesystem 
            begegnet, was wirklich vergessen machen könnte, dass der Ton aus 
            Lautsprechern kommt. Und kann und soll das überhaupt das Ziel sein? 
            Wir werden darüber zu reden haben, wenn wir das momentan Machbare in 
            Boltenhagen erleben.
            Räume sind bekanntlich dreidimensional. MUSIKPRODUKTION DABRINGHAUS 
            UND GRIMM ist ein Klassik-Label, das sich mit seinen audiophilen 
            Aufnahmen in der Branche schon einen guten Ruf gesichert hat. Jetzt 
            setzen die Detmolder konsequent auf abwärts kompatible 
            2+2+2-Kanal-Technik für DVD Audio.
            "Unsere Klangwelt ist keine Scheibe!" So wird bei MDG das Credo 
            formuliert, welches mit durchaus puristischen, wenn auch sehr 
            gediegenen Mitteln realisiert wird. Das besagt auch das Klangkonzept 
            von MDG. Wir dürfen gespannt sein, ob sich beim finalen 
            Konzerterlebnis der Boltenhagener Medientage am 6. Oktober das 
            Kirchenschiff weit öffnet, auch in die lichten Höhen der 
            Orgelempore. Am Abend davor werden wir uns gründlich aufklären 
            lassen über die audiophile Welt von MDG.
            Nach oben!
            Von Tonmeisterschaft und ihrer Selbstbehauptung
            Die technischen Möglichkeiten der Klangerzeugung, -verarbeitung und 
            -speicherung haben sich so gigantisch entwickelt, dass die 
            künstlerische Seele zumindest Schwierigkeiten hat, zu folgen. Was 
            sich an digitaler Ausrüstung heute auf einem Schreibtisch 
            unterbringen lässt, übersteigt an Möglichkeiten das, was die 
            führenden Tonstudios der 70er Jahre zu bieten hatten, oft um ein 
            Vielfaches zu einem Bruchteil des Preises. Es bedarf infolgedessen 
            kaum noch einer ideellen Besessenheit, einer großen Konzentration 
            vieler Kräfte auf ein bestimmtes Vorhaben, um sich der 
            High-End-Möglichkeiten zu bemächtigen. Der Soundproduktion ist die 
            Exklusivität verloren gegangen. Sie hat sich freilich noch nie über 
            technische Machbarkeiten definiert. Sie ist inspiriert durch Ideen, 
            die nach Mitteln suchen. Bei Soundboy Jedermann ist es der Überfluss 
            der Möglichkeiten des Equipments, das oft vergeblich nach 
            Inspiration ruft. Der Überfluss tötet die Kreativität. Doch nun 
            komme ich ins Predigen, wenn ich mich dazu hinreißen lasse, diese 
            These umzudrehen und zuzuspitzen: Wenn nicht der Mangel, so IST doch 
            viel Entsagung die Bedingung der Meisterschaft.
            Doch der Tonmeister mag darüber anders denken. Ich bin keiner. 
            Reinhard Walter ist einer, und mit ihm können wir vielleicht auch 
            philosophieren, obwohl er wohl eher ein Mann der Praxis ist. Ihn 
            bewegt eher die Frage, was es ist, was die Klangvorstellungen 
            einiger seiner Auftraggeber von seinen eigenen entfremdet. Aber 
            eigentlich sind seine Tagesfragen gar nicht so reflexiv. Er hat ein 
            ordentliches Gesamtwerk und wir dürfen da hineintauchen.
            Nach oben zum Ablaufplan!
            Des guten Tons Verbreitung
            Nicht der Kauflust wegen wird ein ambitionierter CD-vERKÄUFER sich 
            der Neugier der Teilnehmer der Medientage stellen. Zu erhoffen sind 
            vielmehr offenherzige Antworten auf Fragen zuR BefindLICHKEIT 
            zwischen Tonträgerindustrie und Kundschaft. 
            Nach oben zum Ablaufplan!
            Zwischen Ideal und Kompression
            Was die Übertragungs- und Wiedergabetechnik des Rundfunks heute so 
            bewerkstelligt, scheint sich eher vom Ideal guten Tons zu entfernen. 
            Das muss Gründe haben, die außerhalb der Technik liegen. Es muss 
            eher mit der Bestimmung des Radios in unserer Zeit zu tun haben. Wo 
            denn hören die Majoritäten, die als Quotentraum die 
            Funkhausbesatzungen unter Druck setzen? Sie hören irgendwo nebenbei: 
            Im Auto, dessen eigener Lärmpegel uns schon gar nicht mehr bewußt 
            ist, doch gegen den Radio anboostern muss. Die Dynamik, wie sie noch 
            auf einigen Kulturprogrammen gepflegt wird, wird in diesem Kontext 
            zur Anstrengung und schließlich zur Zumutung. Die Macher von Classic 
            Radio haben das offenbar begriffen.
            Und die Menschen, die die Quotenjäger gern als "unsere Menschen" 
            vereinnahmen möchten, hören Radio von morgendlichen Duschen bis zum 
            Beginn des Fernsehabends überwiegend nebenbei. Es stört, wenn es 
            schweigt, aber auch, wenn es sich zu wichtig macht. Es scheint die 
            Hoheit über die Frisiersalons zu sein, um die die Massenprogramme 
            kämpfen.
            Olaf Kuhlbrodt aus Bad Segeberg hat während seines Studiums der 
            Nachrichtentechnik über die verschiedenen Audioformate und ihre 
            Verwendung im Hörfunk geforscht und geschrieben. Er ist ein Tipp aus 
            der Piratenszene, die wir bei den III. Tagen für akustische Medien 
            im Hause hatten. Mal hören, was wir von ihm lernen können. Nur, er 
            kann selber leider nicht kommen. Sein Material aber wird er mir zur 
            Verfügung stellen, und ich werde versuchen, es zu referieren.
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            Der Klang der Radiokunst
            Anlässlich des 70. Geburtstags von Ekkehard Saß wiederholten Radio 
            Kultur und MDR Kultur "Hiev op! Akustisches Logbuch einer 
            Fischfangreise nach Ostgrönland. Eine stereophone Dokumentation von 
            Ekkehard Saß". Die Produktion aus dem Jahre 1973 hält auch heute 
            noch hohe Maßstäbe des Klangerlebens aus. So machte ich mich auf die 
            Suche nach dem Toningenieur und fand zum Autor. Er ist bereit, aus 
            Baden-Baden nach Boltenhagen zu kommen mit seiner Werkbilanz. "Hiev 
            op" wird in Gänze gehört werden können und auch sein 
            Orchesterporträt "Wie eine Staubwolke aus Noten", für das er 1976 
            mit dem edlsten Featurepreis, dem Prix Italia ausgezeichnet wurde.
            Nach oben!
            Ekkehard Saß hat einige seiner überragenden dokumentarischen 
            Radiophonien gemeinsam mit erfahrenen Toningenieuren machen können. 
            Peter Kainz konnte schon aus biographischen Gründen nicht unter 
            diesen sein. Aber er ist doch ein gestandener und gefragter 
            Tonmacher des Hörspiel- und Featurebereiches. Wo Ekkehard Saß den 
            Schlußpunkt unter sein Radioschaffen setzte, irgendwo im Vorfeld der 
            Digitalisierung konnte Peter Kainz nicht stehen bleiben, auch wenn 
            er gelegentlich sagt, er hätte eben dies tun sollen, denn was sollte 
            nach "Meine wunderbare Schattenwelt", seiner letzten großen analogen 
            Produktion noch kommen? Nun, wir werden in diesen 12-Teiler des WDR 
            zumindest hineinhören in Boltenhagen. Für mich ist Peter Kainz in 
            dieser Perspektive eines der unverzichtbaren Bindeglieder, die 
            mittlere, vermittelnde Generation, die die in den analogen Mühen 
            gewachsene Ästhetik hinübertragen ins digitale Zeitalter.
            Aus der Welt des Features haben wir mit Peter Kainz nicht nur den 
            Toningenieur, sondern in Angelika Perl auch die Regisseurin und 
            schließlich in Tanja Busse auch die Jorunalistin zu Gast. Tanja 
            Busse gehört zur jungen Generation.
            Was wir von Tanja Busse hören werden, ist weniger 
            künstlerisch-ästhetisch ambitioniert. Es gibt andere Gründe, die 
            mich erwarten lassen, dass gerade ihr Stück Gemüter aufwühlen wird. 
            Sie legt den Blick frei auf eine offene Wunde der deutschen 
            Wiedervereinigung, ein bewegendes Stück Zeitgeschichte, dessen 
            Protagonisten in und bei Boltenhagen wohnen. Wir werden es unter 
            diesen publik machen, dass die Autorin, die bei ihnen gründlich 
            recherchierte und aufzeichnete, nun mit dem fertigen Werk im Ort 
            ist. Und diese Wirklichkeit mag uns heilsam durchwehen, damit wir 
            nicht im radioästhetischen Elfenbeinturm verdämmern.
            Jürgen Trinkus - Klangkontext - Programmverantwortlicher der 
            Boltenhagener Tage für akustische Medien.