heise online: Fundgrube Rundfunkarchiv erstmals der Oeffentlichkeit zugaenglich

rkitzing at gmx.de rkitzing at gmx.de
Die Aug 13 13:50:21 CEST 2002


Diese Meldung aus dem heise online-Newsticker wurde Ihnen
von "rkitzing at gmx.de" gesandt.
Wir weisen darauf hin, dass die Absenderangabe nicht verifiziert
ist. Sollten Sie Zweifel an der Authentizität des Absenders haben,
ignorieren Sie diese E-Mail bitte.
--------------------------------------------------------------------
Fundgrube Rundfunkarchiv erstmals der Öffentlichkeit zugänglich

Von der unruhig schwingenden, gelben Gelatine-Platte kommen knisternde und
rauschende Töne. "Hallo? Hallo? Hier spricht..." Die Aufnahme vom 15.
November 1940 ist gut erhalten. Ein deutscher Soldat hatte sie in Norwegen
für seine Familie zu Hause besprochen. Raritäten wie diese und viele andere
Schätze lagern in den Magazinen des Deutschen Rundfunkarchivs (dra[1]). In
diesem Jahr feiert das Archiv sein 50-jähriges Bestehen. Erstmals darf von
Dienstag bis zum 23. August die Öffentlichkeit den sonst verschlossenen
Fundus im Funkhaus des Hessischen Rundfunks (hr[2]) besichtigen.      

 Das als gemeinnützige Stiftung der ARD 1952 gegründete, ehemalige
"Lautarchiv des deutschen Rundfunks" beherbergt heutzutage eine der größten
Sammlungen historischer Ton- und Bildträger an den Standorten Frankfurt und
Potsdam-Babelsberg. Die 900 in bunten Büchsen aufbewahrten Edison-Zylinder,
2200 Schallfolien und 3600 Tonbänder der Reichs-Rundfunk-Gesellschaft
gehören zu den ältesten Tonträgern in Frankfurt, quittegelbe
Gelatine-Platten aus der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts zu den
Originellsten. Aus dem Jahr 1888 stammt das älteste Stück des Archivs: Eine
Laudatio des englischen Komponisten Arthur Sullivan auf die "wundervolle
Erfindung" der ersten Sprechmaschine.

"Wir sammeln, archivieren, erschließen und dokumentieren alle Bild-, Ton-
und Schriftdokumente", sagt die Vorstandsvertreterin Anke Leenings. "Viele
Stücke geben uns auch Privatleute, die beim Durchstöbern des Dachbodens
Raritäten finden." Neben den Rundfunkanstalten nutzen Studenten,
Wissenschaftler, Forscher und Interessenten aus der ganzen Welt die Hilfe
des Archivs. "Es kommt vor, dass jemand zum Beispiel aus Chile anruft und
nach einem früher musizierenden Ahnen sucht", erklärt Leenings.

Drei unterirdische Magazine beherbergen die mehr als 100.000
Schellack-Platten, historische Bänder vom Ende des 19. Jahrhunderts bis in
die Gegenwart sowie Bildmaterial in den 18 Grad kühlen, Bunkern ähnlichen
Räumen. Dunkel und eng ist es. Ein verstaubter Büchergeruch weht aus den
mit Neonlicht beleuchteten Räumen entgegen. Auf rund 40 Metern Länge und
etwa fünf Metern Breite stapeln sich die in Fahrregalen befindlichen und
nach Datenbanknummern geordneten Stücke. Vieles sei noch nicht
dokumentiert, sagt Schlenkrich. Dazu brauche das Archiv noch Jahre, denn
immerhin kämen jedes Jahr große Mengen hinzu. Erst kürzlich erhielten die
Archivare eine Sammlung von 7.000 Platten aus einem Nachlass.

 Zum Jubiläum präsentiert das dra mit der Ausstellung "re:play" ein Stück
lebendige Rundfunkgeschichte. Neben vielen Bild- und Tondokumenten können
die ersten technischen Geräte bewundert werden. Ein Edison-Phonograph von
1908 mit der blauen Wachswalze "Blue Amberol", der einfache Walzenspieler
von Biedermann & Czarnikow (1902), eine Plattenspieldose mit Lochkarte von
1895, das erste zusammenlegbare Taschengrammophon (1926), alte Tonbänder,
Kohle- Mikrofone und vieles andere mehr können bewundert und angehört
werden. Hörbeispiele wie Berthold Brechts "Der Flug der Lindberghs" oder
Alfred Döblins "Geschichte von Franz Biberkopf" mit Heinrich George in der
Hauptrolle -- beide von 1930 -- stehen ebenso zur Verfügung wie die
Gelatine-Platte des deutschen Soldaten.

Techniker demonstrieren zudem ihre tägliche Arbeit. Ein Plattenspieler,
eine spezielle Nadel und entsprechende Vorentzerrung seien die
Voraussetzung, um die alten Platten aus Zelluloid, Decelith, Aluminium,
anderem Metall und der preiswerten Gelatine abspielen zu können, sagt der
Leiter der Tontechnik, Mathias Helling. Über ein Mischpult und
entsprechende elektronische Geräte ist der Plattenspieler mit dem Computer
verbunden. Zwei Aufnahmen seien die Regel. Eine werde bearbeitet, die
andere quasi im Originalzustand übernommen, sagt Helling. Die Aufnahmen
werden dann direkt in die Datenbank transferiert und stehen digital für den
Programmaustausch zur Verfügung. Ungefähr 2,8 Millionen Daten habe das
Archiv gespeichert, sagt der Leiter der Abteilung Sammlungen und
Informationsvermittlung, Clemens Schlenkrich. (Susan Mühne, dpa) /
(jk[3]/c't)

URL dieses Artikels:
 http://www.heise.de/newsticker/data/jk-13.08.02-002/

Links in diesem Artikel:
 [1] http://www.dra.de
 [2] http://www.hr-online.de/d/index_jsp.html
 [3] mailto:jk at ct.heise.de

--------------------------------------------------------------------
Copyright 2002 by Verlag Heinz Heise